SOLSBERG-FESTIVAL
Aargauer Zeitung 30.05.2016
Musikalisch ins Märchenland – wie man Kinder für Klassik begeistert
Seit langem ist es Tradition, im Rahmen des jährlich stattfindenden Solsberg-Festivals einmal für Kinder zu konzertieren. In diesem Jahr begaben sich die kleinen und grossen Besucher in der barocken Klosterkirche Olsberg auf eine Entdeckungsreise in ein fantastisches Märchenland.
Dazu eingeladen hatten die Weltklassesolistin Sol Gabetta, die zehnjährige Friedericke Herold, Célia Garetti (13), Ivan Monighetti (alle Violoncello), Akane Matsumura (Klavier) sowie der Theaterpädagoge und Regisseur Fabian Gysling.
«Es war einmal vor unendlich langer Zeit», begann Gysling seine Geschichte zu erzählen, «da gab es ein wunderschönes Land mit grünen Feldern, Wäldern, hohen Bergen und ringsum glücklichen Menschen.» Sie seien freundlich, zufrieden und hilfsbereit gewesen. Flink zeichnete er mit wenigen Strichen die lustigen Gestalten und das sagenhafte Land. Mit einem innig melodiösen Adagio von Franz Schubert gaben Célia und Friederike diesem Auftakt musikalisch Licht und Leichtigkeit.
Regiert wurde dieses Land von einem gütigen Königspaar, das auf seine drei Töchter sehr stolz war. Überall war Frieden. Zärtlich gaben die beiden jungen Künstlerinnen auf ihrem Cello diese Harmonie wieder. Doch, man ahnt es schon, konnte auch dort der «Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt».
Im Nachbarland herrschte ein ziemlich fieses Weib, die sich in eine Krake verwandelte und nebenan Chaos, Unsicherheit und Missgunst verbreitete. Wunderschön die Bilder von Fabian Gysling dazu, wilde Krakenblicke, Durcheinander überall. Schrill und disharmonisch die Musik, solistisch dargeboten mal von Célia, dann von Friederike. Markant akzentuiert zeichneten Sol Gabetta und Ivan Monighetti musikalisch ein Bild der verstörten Leute.
Die Kinder waren da längst mucksmäuschenstill, lauschten mit grossen Augen. Passend die kleinen eingängigen Stücke überwiegend aus der Zeit der Romantik von Edvard Grieg mit seinen lyrisch volksmusikhaften Tänzen, poesievoll die Melodien von Robert Schumann, das Allegro von Friedrich Kummer, Cinderella und Marsch von Sergej Prokofjew oder Josef Haydn.
Als dann noch ein eingebildeter Prinz auftauchte, der rhythmisch einherstolzierte, wurde es für das Königspaar höchste Zeit, eine Lösung zu finden: natürlich eine friedliche. Brillant dazu das Solo von Sol Gabetta. So war das Finale mit allen Akteuren fröhlich, heiter, keck und übermütig.
Spielerisch war es gelungen, den Kindern Klassik nahezubringen, vielleicht sogar den Wunsch zu wecken, auch einmal wie Friedericke oder Célia ganz gross zu sein. Beide genossen bei dem Basler Celloprofessor Ivan Monighetti Unterricht und beide jungen Künstlerinnen erhielten international schon diverse Preise. Friederike Herold spielt als Solistin im Jungen Sinfonieorchester Dresden, Célia Garetti studiert derzeit Musiktheorie, Klavier und Chorgesang am Konservatorium in Genf. (ari)
SOLSBERG-FESTIVAL 2015
Sol Gabetta & Friends spielen den Karneval der Tiere für Kinder
Kinder hören eine eigene Version von Camille Saint-Saëns' populärem „Carnaval des Animaux“ beim Solsberg-Festival. Die Fassung enthält gesprochenen Text von Fabian Gysling und eingefügte Stücken zu Tigern und Leoparden, komponiert von Daniel Schnyder.
Wenn sich befreundete Musiker bei Festivals treffen, was spielen sie dann? Den „Karneval der Tiere“. Was Martha Argerich & Friends können, kann Sol Gabetta auch. Beim zehnten Solsberg-Festival hat sie mit Freunden Camille Saint-Saëns' populären „Carnaval des Animaux“ aufgeführt – in einer neuen Fassung mit gesprochenem Text von Fabian Gysling und eingefügten Stücken zu Tigern und Leoparden, komponiert von Daniel Schnyder.
Richtig tierisch war die vorangegangene Raubtier-Vorführung auf der Sennweid von Dompteur Jürg Jenny in Olsberg. In der Klosterkirche waren Tiger und Leoparden musikalisch anzutreffen: in dem jazzig-fetzigen Neue-Musik-Crossover des angesagten Wahl-New Yorkers Daniel Schnyder.
Bei den zwei Familien- und Kinderkonzerten wurde der „Karneval“ wieder zu dem, was er meistens ist: Musik für Kinder. Nun ist Saint-Saëns Gelegenheitskomposition, die sich dauerhaft auf den Konzertprogrammen behauptet, aber eigentlich gar keine harmlose kindliche Musik. Vielmehr ist sie Kollegenpersiflage, Zitate aus der Musikgeschichte und ein listiger Komponistenspaß. Wenn schon moderne Musik dazu komponiert wird, dann muss man auch einen neuen Versuch bei der Textfassung machen, sagte sich Sprecher Fabian Gysling und ließ denn auch seiner Fantasie freien Lauf. Seine Neufassung ging in eine ganz andere Richtung als die von Loriot.
Gysling erfand eine neue Geschichte, aufgehängt an den musikalischen Vorlagen. Bei ihm herrscht Streit im Tierreich, werden Zähne gefletscht und Giftdrüsen gefüllt. Der Löwe als Herrscher ruft einen Karneval aus; jedes Tier soll sich verkleiden. Da muss sich ein Elefant schon mal überlegen, wie er als Schildkröte daherkommt.
Als kleine Einlage lässt Gysling noch zwei Eichhörnchen wie Marionetten auftreten, was zum Komponisten Saint-Saëns passt, der schließlich auch ein Unterhalter und Schalk war.
Starcellistin Sol Gabetta zelebrierte mit Legato-Seligkeit anmutig den berühmten „Schwan“. Die anderen Tiere (Känguru, Vögel, Fische und Fossilien) wurden von dem Musikerkollektiv mit Esprit, Präzision und Witz musikalisch charakterisiert. Gabettas Bruder Andrés und Jungstar Vilde Frang (Violine), die Flötistin Isabelle Schnöller und der Klarinettist Markus Niederhauser vom Kammerorchester Basel, Veronika Hagen vom Hagen Quartett, Ricardo Bovino und Kim Barbier (Klavier) sowie Alex Wäber an der Percussion hatten hörbar ihren Spaß daran.
Jürgen Scharf, Südkurier
HAMBURGER ABENDBLATT
25. August 2014
SCHLESWIG-HOLSTEIN MUSIK FESTIVAL
Cellistin Sol Gabetta (von links), Pianistin Ulrike Payer, Puppe Alice und Pantomime Fabian Gysling gelang ein wunderbares Konzert für Groß und Klein im Norderstedter Kulturwerk
Cello-Queen Gabetta bringt die Liebessehnsucht zum Klingen
Exakt eine Stunde dauerte das Familien-Konzert mit Pantomime "Brahms träumt vom Fliegen – wenn kleine Ohren große Augen machen" des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Norderstedter Kulturwerk. Von Heike Linde-Lembke
Norderstedt. Alice möchte nicht auf die Bühne. Sie geniert sich, ist schüchtern. Und sehr betrübt. Nicht einmal ihr Partner Fabian Gysling kann sie aufmuntern. Denn Alice möchte gern fliegen. Kann aber nicht, weil sie beim Tanzen ihren Fuß verletzt hat. Fabian versucht alle Tricks. Er bietet ihr einen Apfel an. Bläst Luftballons auf und lässt sie blubbernd fliegen. Bemalt die Ballons mit Gesichtern. Versucht es mit Zauberei. Holt sich Sol Gabettas Cellobogen als Zauberstab und spießt die Luftballons auf. Geht auch nicht. Nimmt einen Taktstock und dockt ihn an den Luftballon an. Inzwischen sind einige bunte Ballons ins Publikum geflogen, begleitet vom hellen Lachen staunender Kinder im Saal. Und Alice? Guckt betrübt.
Plötzlich hebt der Ballon ab und – Fabian fliegt! Er schnappt sich Alice und springt mit ihr über die Bühne, zwischen Sol Gabetta und ihrem Cello hindurch und Ulrike Payer am Flügel. Und – Alice ist selig! Fabian hat es geschafft. Das Publikum applaudiert begeistert.
Exakt eine Stunde dauerte das Familien-Konzert mit Pantomime "Brahms träumt vom Fliegen – wenn kleine Ohren große Augen machen" des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Norderstedter Kulturwerk. Und alle kleinen Zuhörer machten wahrlich große Augen und hörten eine wundervolle Musik, exzellent gespielt von Cello-Star Sol Gabetta und Pianistin Ulrike Payer.
Die Cello-Queen aus Argentinien ist Künstlerin in Residence beim Musik-Festival und hat neben vielen anderen Programmen auch das Kinderkonzert mit Pantomime exklusiv für das Festival erarbeitet.
Gabetta spielte die Sonate für Cello und Klavier Nr. 1 in e-Moll von Johannes Brahms mit viel Gefühl und Hingabe, ließ den wundervollen Klang ihres von Giovanni Battista Guadagnini 1759 gebauten Cellos voll Schmelz und Sehnsucht erklingen und traf fein den Brahms-Kolorit. Der Hamburger Komponist schrieb die Sonate als 29-Jähriger von Liebessehnsucht erfüllt. Gabetta verstand es, diese Gefühle zum Klingen zu bringen. Zwischen den drei Sätzen entwickelt Pantomime Fabian Gysling mit seiner lebensgroßen Puppe Alice das Drama vom großen Wunsch des kleinen Mädchens, fliegen zu können.
Im ersten Satz ist Alice, sehr ausdrucksstark mit ihren Kulleraugen und Prinzessinkleid, noch untröstlich, im zweiten konnte der Pantomime schon ihre Aufmerksamkeit wecken, und im dritten fliegt sie endlich mit ihm über die Bühne, quer durchs Publikum im großen Saal und sogar auf die Empore des Kulturwerks. Alice ist glücklich, und die kleinen Ohren und staunenden Augen im Publikum auch. Welch' ein amüsantes, anspruchsvolles und dabei so kindgerechtes Musiktheater!